Coach oder Gesprächspartner – Grade der Freiheit

Cord Oliver MolthanCoaching, Kreativität

Coaching dient der “… Erleichterung des Lernens und der Entwicklung mit dem Ziel, Leistung und wirksames Handeln, der Erreichung von Zielen, persönliche Zufriedenheit und die Erfüllung des Potenzials zu verbessern. Es geht immer um Wachstum und Veränderung, sei es in der Perspektive, in der Einstellung oder im Verhalten.”(1) Bei diesem Vorgehen hat der Coach die Rolle seinem Klienten als Unterstützung zur Seite zu stehen. Er sollte den Klienten zu einer klareren Wahrnehmung seiner selbst sowie seiner Fähigkeiten, Möglichkeiten und Motivationen führen, ihm/ihr behilflich sein, das zu erörternde Anliegen fassen zu können und in klarer Gestalt zu sehen und weiterhin in ihm/ihr das Zutrauen wecken, das Anliegen angehen zu können und sich selbst in diesem Prozess zu vertrauen. Der Coach geht bei diesem Prozess in das System des Klienten hinein. Er bildet Hypothesen über Klient und dessen Wirklichkeit und ermöglicht es dem Klienten, seine Wirklichkeit zu erforschen, indem er ihm/ihr folgt und in der Erforschung durch Fragen, Rückmeldungen und Interventionen unterstützt. Hierfür steht dem Coach ein großes Instrumentarium an Werkzeugen des Ausdrückens und Erkennens zur Verfügung. Das Wesen der Coachingarbeit mäandert zwischen schweigendem, in alle Richtungen Antizipieren und gesprochenem Folgen. 

Dem Gesprächspartner stehen im Vergleich zum Antizipieren und Folgen des Coaches weitere Möglichkeiten offen. Bildlich gesprochen kann der Klient die Berge sein Zuhause nennen und der Gesprächspartner an der Küste leben. Für eine fruchtbare Beziehung ist es für den Gesprächspartner nicht notwendig, die Wirklichkeit der Berge nachvollziehen zu können und zu lernen, sich dort auskennen. Doch auch für ihn, den Gesprächspartner, ist es hilfreich, das Anliegen zu verstehen, von Invariablen zu hören und Variablen aufgezeigt zu bekommen. Entscheidend ist aus meiner Sicht, daß ein Gesprächspartner in der Klärungsphase die Fähigkeit besitzt zu komprimieren und zu abstrahieren, also den Kern oder das Wesen eines Gedankens oder einer Fragestellung zu erfassen. Daraufhin kann er sich in kreativer Freiheit mit dem Thema beschäftigen und zum Beispiel Variablen vernachlässigen und Invariablen verflüssigen. Er ist Herr seiner Geschwindigkeit und kann durch all diese Maßnahmen konstruktive Reibung im Dialog entstehen lassen. Diese Reibung und die aus dieser Reibung entstehende Denk- und Wahrnehmungsmöglichkeiten sind der Zugewinn, den ein Gesprächspartner bringt. Die Unterschiedlichkeit der Herangehens- und Sichtweise und die wohlwollende, schrittweise Annährung im kontroversen Dialog – sei es auf bekanntem oder fremdem Terrain – führen zu neuen Einsichten. Eine Steigerung dieses Prozesses ist möglich, wenn die Gesprächspartner eine nicht von den gleichen “….gesellschaftlichen Überzeugungen und Interessen geleitete Perspektive“ haben.(2)           

(1)  “….The facilitation of learning and development with the purpose of improving performance and enhancing effective action, goals achievement, personal satisfaction and fulfilment of potential. It invariably involves growth and change, whether that be in perspective, attitude or behavior…” Psychological Dimensions of Executive Coaching, Peter Bluckert, McGraw-Hill, Open University Press, 2006

(2) Diskurs und Wirklichkeit, Professor Dr. Andreas Gardt, Zum Diskursbegriff, Universität Kassel, Institut für Germanistik, Der Deutschunterricht, 6/2017, Seite 6 https://www.uni-kassel.de/fb02/fileadmin/datas/fb02/Institut_f%C3%BCr_Germanistik/Dateien/DISKURSBEGRIFF.pdf